Freitag, 28. September 2012

»Bundesregierung leistet Beihilfe zur Unterdrückung«

Früher arbeitete Jan van Aken als Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen, heute kämpft er als außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE für ein Verbot von Rüstungsexporten. Wofür braucht Saudi-Arabien deutsche Kampfpanzer? Jan van Aken: Zum einen geht es ums Renommee: Der Leopard gilt als der Rolls-Royce unter den Panzern. Zum anderen wissen wir, dass solche Panzer auch zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung eingesetzt werden können, falls es zu großen Demonstrationen kommt. Experten behaupten, Saudi-Arabien müsse sich gegen den Iran aufrüsten. Das ist ein völlig albernes Argument. Zwischen beiden Ländern liegt ein Meer. Saudi-Arabien hat gar nicht die militärischen Kapazitäten, die Panzer darüber zu transportieren. Wenn sich der Panzerkauf gegen ein Land richtet, dann gegen Israel. In der Presse heißt es, Israel sei mit der Panzerlieferung einverstanden. Israel sagt dazu öffentlich gar nichts. Ich habe direkt nachgefragt bei Israelis, sie haben mir mit gewichtigem Blick zu verstehen gegeben, dass sie sich hierzu nicht äußern dürfen. Rundherum glücklich scheint in Israel niemand mit diesem Deal zu sein. Es ist schwer vorstellbar, dass die Bundesregierung Panzer an Saudi-Arabien liefern lässt ohne die ausdrückliche Einwilligung von Israel und den USA. Deutschland ist ein souveränes Land und kann das machen. Aber ich bin mir sicher, wenn Israel laut sagen würde, dass es gegen die Panzerlieferung ist, dann würde Deutschland das auch nicht machen. Welches Interesse hat die Bundesregierung, Panzer an eine der brutalsten Diktaturen der Welt zu verkaufen? Es geht um wirtschaftliche Faktoren, aber auch um Waffenexporte als Instrument der Außenpolitik. Bei dem Panzerdeal überwiegen vermutlich die wirtschaftlichen Interessen. Insgesamt geht es der Bundesregierung bei Waffenexporten nach Saudi-Arabien um gute Beziehungen zu dem Land. Die Waffenfabrik für das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch, die dort errichtet wurde und mit der keine gigantischen Summen verdient werden, ist hierfür ein gutes Beispiel. Wie ist es, sich als Parlamentarier mit Dingen zu befassen, über die zwar Medien berichten, zu denen die Bundesregierung aber konsequent schweigt? Das ist absolut inakzeptabel. Selbst in den USA ist das besser. Dort wird das Parlament vor großen Rüstungsgeschäften vor der Entscheidung informiert und kann darüber diskutieren. Dass die Bundesregierung seit nunmehr einem Jahr zu den geplanten Panzerdeals, einem außenpolitisch so heiklen Geschäft, beharrlich schweigt, geht überhaupt nicht. Aus welchem Grund kritisieren Sie selbst diesen Deal? Ich bin gegen jede Art von Waffenexporten. Aber an Saudi-Arabien, ein Land, in dem dauerhaft schwere Menschenverletzungen begangenen werden, in dem es innere Unruhen gibt und das vor Kurzem in Bahrain einmarschiert ist, solche Waffen zu liefern - das ist für mich Beihilfe zur Unterdrückung. Sie sind vergangenen Herbst nach Saudi-Arabien gereist, um die Spuren deutscher Waffenexporte zu recherchieren. Welche Erkenntnise haben Sie gewonnen? Ich habe mich mit dem saudischen Chefwaffeneinkäufer in seinem Büro getroffen. Er sagte mir, dass er dort auch schon mit Vertretern des deutschen Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann gesessen habe. Ich habe mit dem Leiter der staatlichen Waffenproduktion gesprochen, der für Heckler & Koch eine Fabrik für das Sturmgewehr G36 aufbaut. Ich bin im Norden des Landes gewesen, wo deutsche Polizisten saudische Grenzer ausbilden, weil der Rüstungskonzern EADS dort einen milliardenschweren Grenzzaun baut. Überall haben wir Spuren deutscher Rüstungsfirmen gefunden. Grenzzäune, Sturmgewehre, Kampfpanzer – es scheint, als gäbe es kaum eine Waffe, die Deutschland nicht an Saudi-Arabien liefern würde? Deutschland verkauft fast jede Waffe in fast jedes Land der Welt. Und bei Saudi-Arabien scheint es mittlerweile gar keine Hemmungen mehr zu geben. Was ist die zentrale Forderung der Fraktion DIE LINKE angesichts dieser Hemmungslosigkeit? Ein Verbot aller Waffenexporte! Es gibt keine guten Waffen. Das sind Kriegsgeräte und keine Nähmaschinen. Und als allererster Schritt muss der Export von Sturmgewehren und Maschinenpistolen gestoppt werden. Das sind die Massenvernichtungswaffen der heutigen Zeit. Diese Waffen reisen um die Welt, von Kriegsgebiet zu Kriegsgebiet. In der Rüstungsproduktion arbeiten laut Angaben der Industrie rund 80000 Menschen. Wahrscheinlich rund die Hälfte dieser Arbeitsplätze hängt am Waffenexport. Was soll mit ihnen passieren? Diese Arbeitsplätze wollen wir retten, indem die Produktion von Waffen auf zivile Gegenstände umgestellt wird. Erfolgreiche Beispiele für eine solche Umstellung gibt es viele, etwa in Bremen in den 1980er Jahren. Auch Krauss-Maffei Wegmann, hat dort, wo heute Panzer hergestellt werden, früher Eisenbahnwaggons produziert. Warum tun sie es nicht wieder? Wie kommen Ihre Forderungen bei den Beschäftigten dort an? Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Beschäftigten Angst um ihre Arbeitsplätze haben. Doch ihre Wut muss sich gegen das Management richten. Die Zeit der Panzer ist seit 20 Jahren vorbei. Aber bei Krauss-Maffei Wegmann ist der Anteil der zivilen Produktion immer noch minimal. Da hat die Firmenleitung die Zeichen der Zeit verschlafen. Im Übrigen bin mir sicher, dass die meisten Beschäftigten es nicht gut finden, Panzer für Saudi-Arabien zu montieren. Es ist unsere Aufgabe, mit den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften dafür zu kämpfen, dass kein Arbeitsplatz verloren geht und alle Menschen gute Arbeit haben. Und ich finde, die Produktion von Waffen ist keine gute Arbeit. Welche Bündnispartner haben Sie, um ihre Forderungen durchzusetzen? Die große Mehrheit der Bevölkerung ist in dieser Frage auf unserer Seite. Laut Umfragen sind bis zu 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gegen Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete. Das Interview führte Ruben Lehnert.

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