Sonntag, 2. März 2014

Aufruf: Wir widersprechen!

Am 5. Februar 2013 folgte der offiziell Bundesverteidigungsminister genannte Thomas de Maizière (CDU) der Einladung des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer in das DGB-Haus, um dort gemeinsam vor die Medien zu treten. „Die Bundeswehr versteht sich als ein Teil der Friedensbewegung“, erklärte de Maizière, und Michael Sommer widersprach nicht. WIR WIDERSPRECHEN! Die Bundeswehr, aufgebaut von der Nazigeneralität, entgegen dem Potsdamer Ab-kommen von 1945 und gegen den Widerstand der Arbeiter- und Friedensbewegung, war und ist kein Teil der Friedensbewegung, im Gegenteil. Sie war und ist ein Instrument der deutschen Banken und Konzerne, um ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten. Sie war und ist ein Instrument, um deren Interessen weltweit abzusichern – wie es in-zwischen jeder – auch Michael Sommer – in den „verteidigungspolitischen Richtlinien“ nachlesen kann. „Das Verhältnis zwischen bewaffneter Macht und Arbeiterbewegung war historisch belastet, das ist es heute nicht mehr“, erklärte Michael Sommer. WIR WIDERSPRECHEN! Die Arbeiter- und Friedensbewegung hat zu Recht gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg gekämpft. Tausende Kolleginnen und Kollegen sind deswegen mit Verfolgung und Gefängnisstrafen belegt worden. Und heute zeigt jeder Tag erneut, wie belastet das Verhältnis zwischen bewaffneter Macht und Arbeiterbewegung ist. Um nur ein paar Schlaglichter zu nennen: – Weltweite Kriegseinsätze: Seit 1991 wird in immer offenerer Form die Aufgabe der „Bundeswehr“ als weltweit einzusetzendes Instrument zur Sicherung der deutschen Kapitalinteressen festgeschrieben. Die deutsche Armee ist längst keine „Bundeswehr“ mehr, sondern entgegen ihrem grundgesetzlich niedergeschriebenen Auftrag eine weltweite Einsatzarmee, die in 12 Ländern mit fast 9000 Soldaten Krieg gegen andere Völker führt. Thomas de Maizière erklärt, prinzipiell gebe es keine Region mehr, in der Deutschland nichts zu suchen habe (MDR Info 1.7.2012). Es sind unsere Söhne und Töchter, die hier für die Interessen des deutschen Kapitals verheizt werden! – Einsatz in Klassenzimmern: Trotz aller Proteste werden vermehrt Bundeswehrangehörige eingesetzt, um bereits unsere Kinder für das Töten und Sterben zu werben, 2012 wurden an deutschen Schulen 334.000 Schüler dem Einfluss von Bundeswehrjugendoffizieren und Wehrdienstberatern ausgesetzt, mit 30.000 Vorträgen und Seminaren wurden Lehrer und andere Multiplikatoren herangezogen, Tendenz steigend – hinzu kommen öffentliche Rekrutengelöbnisse, Beförderungsappelle, Auftritte auf Messen, Volksfesten etc.! – Der Einsatz der Bundeswehr gegen das eigene Volk wird mit dem flächendeckenden Netz der Heimatschutzkommandos seit 2006 systematisch aufgebaut, durch de Maizières Konzeption der Reserve mit Masse gefüllt; seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Juli 2012 wird sogar dem bewaffneten Einsatz gegen das eigene Volk Tür und Tor geöffnet – der klarste Beweis, dass von einem „unbelasteten Verhältnis“ keine Rede sein kann! Zu all dem schweigt Michael Sommer nicht nur, sondern behauptet entgegen allen Beschlusslagen des DGB, dass der DGB keine Position gegen die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr, gegen den Afghanistan-Krieg hätte. Mehr noch, im klaren Widerspruch zur Satzung des DGB erklärt Sommer, man müsse alles dafür tun, „die Soldaten anständig auszurüsten“, was einem Freibrief zur Aufrüstung gleichkommt. WIR DAGEGEN ERKLÄREN: Wir müssen alles dafür tun, um gegen diesen Schulterschluss des DGB mit der deutschen Kriegspolitik die alte und wieder hochaktuelle Erkenntnis zu setzen: Bei der Masse der arbeitenden Männer und Frauen liegt die Entscheidung über Sein oder Nichtsein des heutigen Militarismus. (Rosa Luxemburg, 1871–1919) Wir werden deswegen nicht nachlassen, gerade in den Gewerkschaften um diese Erkenntnis zu kämpfen. Und Dich, Michael, erinnern wir an das Schicksal Deines Amtskollegen Christian Fette, der auf dem 2. DGB-Bundeskongress 1952 abgewählt wurde, weil er sich entgegen den Beschlüssen des DGB für die Remilitarisierung verwenden ließ! München, 16. Februar 2013 Arbeitstreffen der Initiative Frauenfriedenskonferenz IMI-Standpunkt 2014/011 Aufruf und Internetseite gegen den Schulterschluss von Gewerkschaften und Bundeswehr Das Unheil nahm im Februar 2013 seinen Lauf, als deutlich wurde, dass die DGB-Spitze künftig eine enge Kooperation mit der Bundeswehr anstrebt. Auf Proteste reagierte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer mit der Ankündigung eines friedenspolitischen Workshops, der sich aber als Propagandaveranstaltung für den deutschen Militärinterventionismus entpuppte. Nachdem es deshalb schon im Vorfeld und dann auch während des Workshops massiv Kritik hagelte, wurde eine Folgeveranstaltung angekündigt, auf der vor allem Vertreter der Friedens- und Antikriegsbewegung zu Wort kommen sollten. Wie nun der DGB-Bundesvorstand auf Nachfrage aus den Mitgliedsgewerkschaften verlautbaren lässt, will man davon aber inzwischen nichts mehr wissen. Gerade auch mit Blick auf den DGB-Bundeskongress im Mai 2014, bei dem wohl auch militärkritische Anträge zur Abstimmung stehen werden, ist es nun wichtig, ein klares Zeichen gegen den Bundeswehr-Kuschelkurs der Gewerkschaftsspitze zu setzen. Hierfür startete die Frauenfriedenskonferenz den Aufruf „Wir widersprechen!“, für den mittlerweile eine eigene Internetseite eingerichtet wurde. Dort kann der Appell online unterzeichnet werden, es finden sich auf der Seite aber unter anderem auch Hintergrundinformationen und eine Referentenliste für lokale Veranstaltungen zum Thema: http://www.wir-widersprechen.de/ Schulterschluss von DGB und Bundeswehr Obwohl Annäherungstendenzen zwischen den Gewerkschaften und der Bundeswehr nicht unbedingt neu sind, war es doch überraschend, wie innig sich DGB-Chef Michael Sommer und der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Februar 2013 umarmt hatten: “Wir wollen prüfen, in welchem gemeinsamen Geist wir die Zusammenarbeit in die Zukunft tragen”, sagte de Maizière auf der gemeinsamen Pressekonferenz. “Den Geist der 70er-Jahre haben wir erfolgreich überwunden. […] Die Gewerkschaften sind Teil der Friedensbewegung. Und auch die Bundeswehr ist Teil der Friedensbewegung.” (siehe IMI-Analyse 2013/021) Wer schweigt stimmt zu: Sommer ließ zu keinem Zeitpunkt erkennen, dass er die Absicht hätte, sich von den Aussagen des Verteidigungsministers zu distanzieren. Im Gegenteil, er ließ vielmehr durchblicken, es werde beabsichtigt, ein Papier auszuarbeiten, das die gemeinsame Kooperation künftig auf feste Füße stellen solle. Hierauf regte sich schnell innerhalb wie außerhalb der Gewerkschaften massiver Protest und zunächst hatte es dann den Anschein, als würde dieser Früchte tragen. Schlag ins Gesicht der Friedens- und Antikriegsbewegung In seiner Rede auf dem GEW-Gewerkschaftstag im Juni 2013 kündigte Michael Sommer an, einen friedenspolitischen Workshop abhalten zu wollen, auf dem alle strittigen Fragen erörtert werden könnten. Dieser „Dialog“ fand dann auch am 30. Oktober 2013 in Form eines „Friedens- und Sicherheitspolitischen Workshops“ statt, zu dem aber nahezu ausschließlich führende Vertreter des deutschen Militarismus eingeladen worden waren – kritische Stimmen oder auch nur Zeit für eine kritische Diskussion waren so gut wie nicht eingeplant. Moderiert wurde die ganze Farce dann auch noch von dem WDR-Journalisten Paul-Elmar Jöris, einem Preisträger der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und ein Beirat der Inneren Führung der Bundeswehr, sodass der Workshop nur als ein „Schlag ins Gesicht der Friedens- und Antikriegsbewegung“ bezeichnet werden konnte (siehe hierzu ausführlich IMI-Analyse 2013/029). Vor diesem Hintergrund kam es während des Workshops zu heftigen Protesten, die zum Glück nicht ungehört verhallten. So kündigte Marlis Tepe (GEW und im DGB-Bundesvorstand) auf dem Abschlusspodium, das zum Ziel hatte, „Schlussfolgerungen für die Gewerkschaften“ zu formulieren, an, noch vor dem DGB-Bundeskongress im Mai 2014 solle eine weitere Tagung in einem anderen Format zum Verhältnis zwischen dem DGB und der Bundeswehr stattfinden (siehe IMI-Standpunkt 2013/068). Übler Rückzieher Doch mit diesem Ansinnen konnte sich Marlis Tepe augenscheinlich innerhalb der DGB-Führung nicht durchsetzen. In einem Antwortbrief auf kritische Nachfragen teilte DGB-Bundesvorstandssekretär Klaus Beck mit: „Im Hinblick auf die Veranstaltung am 30. Oktober 2013, die ich auch mit organisiert habe, kann ich nicht erkennen, wie weit hier nur Befürworter von Auslandseinsätzen zu Wort gekommen sind.“ Nachdem er die Zusammensetzung des Workshops als eine „ausgewogene Mischung“ bezeichnet, kommt Beck folgerichtig zu dem Schluss, eine Folgeveranstaltung, auf der die Positionen der Friedens- und Antikriegsbewegung zu Wort kommen, sei nicht erforderlich: „Nach der Beratung und Auswertung dieser Veranstaltung im DGB Bundesvorstand am 5. November 2013 ist deutlich geworden, dass wegen der Vorbereitungen für den 20. Ordentlichen Bundeskongress auch keine weitere Veranstaltung zu dieser Thematik durchgeführt wird.“ Kleine Lichtblicke Ein Lichtblick ist aber, dass unter anderem in Baden-Württemberg auf der 20. Ordentlichen DGB-Bezirkskonferenz am 1. Februar 2014 fünf friedenspolitische Anträge angenommen wurden, von denen drei eine Neuauflage des Workshops und eine Ende der Auslandseinsätze fordern, während die beiden anderen sich für Rüstungsexportstopps und friedenspolitische Kampagnen des DGB stark machen. Einer der Anträge, die angenommen wurden, wurde zur Weiterleitung an den Bundeskongress empfohlen und dürfte somit dort wohl zur Abstimmung stehen. Darin wird eine „Kampagne 2014“ gefordert: „für Frieden und Abrüstung. Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Kriege beenden!“ Auch wenn sich weitergehende Forderungen denken ließen, enthält der Antrag doch eine Menge richtiger Ansätze, um den aktuellen Militarisierungskurs des DGB zu begradigen. So wird eine Folgeveranstaltung des „Friedens- und Sicherheitspolitischen Workshops“ mit einer grundlegend anderen Zusammensetzung gefordert: „Dabei werden, anders als beim friedenspolitischen Workshop am 30. Oktober 2013 in Berlin, VertreterInnen des DGB, seiner Einzelgewerkschaften und der Friedensbewegung zu Redebeiträgen eingeladen.“ Dem Kriegskurs der Bundesregierung (und Teilen des DGB) wird ebenfalls eine klare Absage erteilt: „Der DGB wendet sich entschieden gegen den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweiten Interventionsarmee.“ Weiter seien „die Rüstungsausgaben deutlich zu senken“ und es wird gefordert, „dass die Kooperationsabkommen Schule-Bundeswehr gekündigt werden.“ Wir Widersprechen! Wie sich gezeigt hat, ist die DGB-Spitze immer nur mit massivem Druck und Protesten von ihrem Kurs abzubringen, bloß um danach, in der Erwartung, dass sich die Wogen geglättet haben, rasch wieder auf den Militarisierungspfad zurückzukehren. Umso wichtiger ist es, dass möglichst viele Menschen ein klares Zeichen gegen den angestrebten Schulterschluss zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr setzen. Hierfür wurde wie eingangs bereits angesprochen der Aufruf „Wir wiedersprechen!“ initiiert, der auf der ebenfalls bereits erwähnten Internetseite http://www.wir-widersprechen.de/ unterzeichnet werden kann. Besagte Hintergrundmaterialien sollen anregen, sich intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen, vor allem aber wäre es wünschenswert, die auf der Seite auffindbare Referentenliste zu nutzen, um auch lokal über diese skandalösen Vorgänge aufzuklären, bei denen die Gewerkschaftsführung einmal mehr über den Kopf ihrer Mitglieder versucht, grundsätzliche Positionen der Arbeiterbewegung ein für alle Mal zu beerdigen. Deshalb: Wir widersprechen!

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