Mittwoch, 16. Juli 2014

Münzviertel in Hamburg: Polizei räumt besetzte Schule

Am Samstagnachmittag haben AktivistInnen die ehemalige Gehörlosenschule am Schultzweg im Münzviertel besetzt. Aus dem leerstehenden Gebäude soll ein “kollektives Zentrum” werden. Die Besetzung dauerte bis zum späten Samstagabend an. Das am Samstag gegen 15 Uhr 30 besetzte Gebäude steht bereits seit vergangenem Sommer leer. Wiederholt hatte es aus dem Stadtteil Bestrebungen gegeben, das Gelände für den Stadtteil zu nutzen. Bisher lehnen die Behörden eine Zwischennutzung jedoch ab. Hinter der Aktion steht das Netzwerk “Solidarische Raumnahme“. ”Wir nehmen uns diesen Raum für kulturelle, soziale und politische Begegnung”, sagen die AktivistInnen in einer offiziellen Stellungnahme zu der Aktion. Viele Flächen und Gebäude, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden, würden in Hamburg leer stehen – währenddessen behindere und verhindere die Politik den Erhalt und die Schaffung kultureller und sozialer Räume. Sich selbst bezeichnen die BesetzerInnen als ”Initiativen und Personen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen und dafür Räume brauchen.” Gespräche über die Belebung und Zwischennutzung leerstehender Gebäude würden immer wieder scheitern: “Wir als selbstorganisierte Stadtteilzentren, Nachbarschaftstreffs, soziokulturelle Einrichtungen, Wagenplätze, kollektive Gärten und Wohnprojekte fordern eine mietfreie und kostenlose Raumnutzung dieser Flächen und Gebäude”, so die AktivistInnen. Im Münzviertel fehlten derzeit vor allem der Stadtteilinitiative, dem Food-Coop Tante Münze, der Fahrradselbsthilfewerkstatt RadKüche und dem Café Exil Räumlichkeiten. Für Kinder und Jugendliche gebe es keinen Spiel- oder Bolzplatz. “Das Viertel ist grau, eng und laut. Es fehlen hier Grünflächen für Freizeitaktivitäten”, erläutern die AktivistInnen die Gründe für die Besetzung des Geländes mit mehreren Gebäuden, einer Turnhalle sowie einem Spielplatz. Quartiersbeirat fordert Zwischennutzung Seit Juli 2013 steht die ehemalige Gehörlosenschule leer. Daraufhin erhielt der Investor Hanseatische Baukontor (HBK) den Auftrag, die Möglichkeiten einer mehrgeschossigen Wohnbebauung zu prüfen. Der Quartiersbeirat Münzviertel fordert seitdem, das Schulgelände zur Zwischennutzung für den Stadtteil zur öffnen. Doch bereits im März kritisierte die Stadtteilinitiative Münzviertel, dass dieses Vorhaben durch die Behörden verhindert werde. Die Initiativen sprechen von einem “undurchsichtigen Prozes der Behörden.” Dabei entstehe der Eindruck, dass der Verwaltungsablauf bewusst verzögert werde. Es sei unverständlich, warum etwa die Nutzung der Sporthalle vom zuständigen Landesbetrieb für Immobilien und Grundvermögen (LIG) nicht genehmigt werde, während der Schulhof als Parkplatz genutzt werde. Finanzbehörde: Zwischennutzung nicht möglich Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde, wies diesen Vorwurf bereits im März zurück: „Es handelt sich nicht um einen undurchsichtigen Prozess der Behörden.“ Auf dem Gelände sollen 450 Wohneinheiten auf einer Fläche von 18.500 Quadratmetern entstehen – davon 50 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum, so Stricker. Das Grundstück solle Ende 2014 durch den LIG verkauft werden. Ein Großteil der Außenflächen sei bereits seit September 2013 zur gewerblichen Nutzung vermietet, heißt es aus einer Stellungnahme der Finanzbehörde aus Januar 2014. Dass die Turnhalle bisher nicht genutzt werde liege an einem Legionellenbefall des Trinkwassers. Der Investor führe zusätzlich vorbereitende Maßnahmen zur Realisierung des Wohnungsbaus, wie etwa Kampfmittelsondierungen durch. “Eine weitere temporäre Öffnung des Schulgeländes für Freizeit- und Bewegungsräume ist aus Gründen der Verkehrssicherungsverpflichtung, aber auch anderweitiger mietvertraglicher Verpflichtungen nicht möglich”, so Stricker. Kollektives Zentrum statt Leerstand Die AktivistInnen wollen sich mit dem Leerstand nicht abfinden und wollen die Schule nun eigenmächtig für den Stadtteil öffnen. Ziel der Besetzung des alten Schulgeländes am Samstag sei die Entstehung eines “kollektiven Zentrums” für kulturelle, soziale und politische Begegnung. Bereits am Samstagnachmittag wurden die Räumlichkeiten der alten Schule auf vielfältige Art und Weise von den BesetzerInnen wiederbelebt. Mit einem eigenen Radioprogramm werden die AktivistInnen informiert, überall auf dem Gelände gibt es Radios. Am späten Nachmittag hat eine Vollversammlung der BesetzerInnen stattgefunden. Die Finanzbehörde habe unterdessen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt, bestätigt die Polizei am frühen Samstagabend. Die Beamten sperrten daraufhin die Eingänge der Schule ab und ließen niemanden mehr auf das Gelände. Die Polizei stellte den BesetzerInnen ein Ultimatum, die Schule zu verlassen. Dieses ließen die AktivistInnen in der Schule jedoch verstreichen. Unter Einsatz von Pfefferspray räumte die Polizei zunächst den Platz vor der besetzten Schule – etwa 80 AktivistInnen hatten sich zu diesem Zeitpunkt dort noch aufgehalten. Gegen 22 Uhr begann die Polizei mit der Räumung des Schulgebäudes. Nach der Aufnahme der Personalien konnten die AktivistInnen das Gelände verlassen. Die Räumung des Schulgeländes dauerte bis 22 Uhr 45 an. Laut Pressestelle der Polizei sind am Abend 19 an der Besetzung beteiligte Personen festgenommen worden. Dies gehe aus dem Abschlussbericht des Einsatzes hervor. Vor Ort konnten die 19 Personen nach der Aufnahme ihrer Personalien jedoch das Schulgelände verlassen. Festnahmen nach der Räumung kann unser Redakteur nicht bestätigen. Noch während der Räumung am Abend sprach die Pressestelle der Polizei ebenfalls von Personenkontrollen und konnte keine Festnahmen bestätigen.

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