Mittwoch, 16. Juli 2014

Pauschaler strafen

Hartz-IV-Reform: Einblicke in den geheimen Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Papier offenbart tückische Verschärfungen Eigentlich wollte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die Hartz-IV-Reform im Geheimen vorbereiten. Vorzeitiges Offenlegen könne »Beratungen beeinträchtigen« oder »bevorstehende behördliche Maßnahmen vereiteln«, erklärte das BMAS bereits zu Jahresbeginn in einem Schreiben an den Sozialrechtler Harald Thomé. Nicht ohne Grund: Die geplanten »Rechtsvereinfachungen« beinhalten für viele Betroffene Verschärfungen. Das geht aus dem vorläufigen Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 2. Juli hervor, der nun doch durch ein Leck gerutscht ist und jW bereits vorliegt. In dem 21seitigen Papier hat sich das Gremium auf zunächst 36 von 124 Anregungen geeinigt, die umgesetzt werden sollen. Weitere Punkte stehen dann nochmals zur Diskussion. Der Bericht dient als Grundlage für einen Gesetzentwurf. Dieser soll noch in diesem Sommer erarbeitet werden und bis zum März 2015 den Bundestag passieren. Fest steht: Das Sanktionsregime namens Hartz IV bleibt erhalten. Die Strafen will man aber vereinheitlichen. Pro »Pflichtverletzung« sollen Jobcenter Betroffenen künftig 30 Prozent vom Regelsatz für drei Monate abziehen dürfen. Bei Alleinstehenden sind das 117,30 von 391 Euro. Das soll auch für versäumte Termine gelten, für die es bisher zehn Prozent weniger gibt. Zudem sollen Erwerbslose unter 25 Jahren wieder älteren gleichgestellt werden. Seit 2007 darf ihnen beim ersten »Verstoß« der gesamte Regelsatz gestrichen werden, beim zweiten auch die Miete. Nur Bayern war gegen letzteres. Die Miete will man wegen drohender Obdachlosigkeit nicht mehr antasten. Mehrere Sanktionen aufzurechnen, soll aber erlaubt bleiben. Kaum bekannt ist, daß Jobcenter auch bei hohen Abzügen keine Lebensmittelgutscheine ausgeben müssen. Dies soll auch weiterhin eine Kannleistung bleiben, die beantragt werden muß. Neue Hürden drohen getrennt lebenden Eltern. Bezieht ein Umgangsberechtigter Hartz IV, kann er Besuche seines Kindes als »temporäre Bedarfsgemeinschaft« geltend machen. Künftig soll er die Zusatzleistung nur dann bekommen, wenn er nachweisen kann, daß mit dem Partner keine interne Einigung möglich war. Bezieht der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Hartz IV, sollen diesem im Gegenzug die anteilige Hartz-IV-Leistung für das Kind abgezogen werden. Bescheide soll es dafür nicht mehr geben. Das bedeutet: Betroffene können im Notfall nicht mehr klagen. Tückisch wird es auch für Umzugswillige. Sie sollen sich zwingend die Zustimmung des Amtes einholen. Erhalten sie die nicht und wird die neue Bleibe teurer, gibt’s künftig nur noch die bisherige Warmmiete erstattet. Das soll auch für nach Jobcenterkriterien »angemessene« Wohnungen gelten. Ferner soll die Miete nach oben restriktiver begrenzt werden. Das BMAS hat dazu aber noch ein »Forschungsvorhaben« unter Federführung der kommunalen Spitzenverbände, der Bundesagentur für Arbeit (BA) und den Bundesländern Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Brandenburg eingeleitet. Abgestraft werden Ehrenamtliche mit zusätzlichem Erwerbsjob. Ihnen will man keinen »doppelten Freibetrag« (zweimal 100 Euro) mehr gewähren. Zwar sollen sie weiterhin bis zu 200 Euro geltend machen können, aber nur bis zur Höhe der Aufwandsentschädigung für das Ehrenamt. Ein weiterer Punkt sind Rückforderungen von Jobcentern. Wurden Leistungen überzahlt, müssen Betroffene diese künftig in Raten von 30 Prozent vom Regelsatz statt wie bisher zehn Prozent abstottern. Außerdem sollen dafür alle Familienmitglieder strenger in Mithaftung genommen werden dürfen. Interessant ist das Ansinnen, die Verwaltungspraxis der Jobcenter zu »vereinheitlichen«. Die Absicht dahinter räumt die Arbeitsgruppe offen ein: Man will »verhindern, daß einzelne Grundsicherungsträger nach höchstrichterlichen Urteilen entgegen der Praxis rückwirkend massenhaft Leistungen verrechnen müssen«. Einheitliche Verfahren schützten Jobcenter davor. Zwei Vorschläge dürften Hartz-IV-Betroffenen das Leben zumindest erleichtern: So soll der Pfändungsschutz auf Arbeitslosengeld II wieder eingeführt werden, der 2012 aufgehoben wurde. Ferner soll, wie geplant, der Bewilligungszeitraum von einem halben auf ein Jahr verlängert werden. Über weitere Anregungen streitet die Arbeitsgruppe noch. Dabei geht es um zusätzliche Sanktionsregeln, den Leistungsausschluß für erwerbstätige Ausländer und rigidere Verfahrensweisen bei aufstockenden Selbständigen.

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