Sonntag, 10. August 2014

Agenda 2020 rast auf Erwerbslose zu – In den sozialen Netzwerken formiert sich der Widerstand

Man muss das Wahre immer wiederholen, weil auch der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird ! Johann Wolfgang von Goethe Seit Monaten, lange im Vorfeld der Bundestagswahlen, sind die Rufe laut geworden, „nicht stehen zu bleiben“ und die weitere Demontage des Sozialstaates voranzutreiben. Da sind sich die Politiker (fast) aller Parteien einig, unterstützt durch sog. Denkfabriken wie der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) oder auch der Bertelsmann Stiftung.[1] Wie wir nun erfahren müssen, ist der Zug längst auf den Weg gebracht, die Agenda 2020 rollt bereits mit Volldampf auf die Erwerbslosen zu. Bereits seit November 2012 tagt, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, regelmäßig eine Arbeitsgruppe von Ministern für Arbeit und Soziales, einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe und kommunalen Spitzenverbänden (kurz: ASMK) mit dem Auftrag, „Vereinfachungen des passiven Leistungsrechts einschließlich des Verfahrensrechts im SGB II“ vorzubereiten. Was sich hier so bürokratisch-nüchtern anhört ist bereits weit gediehen und wird Millionen Erwerbslose wie auch die Noch-in-Arbeit-stehenden gnadenlos überrollen. Was die Mitglieder der AMSK unter „Vereinfachungen“ verstehen, lässt sich kurzum mit weiteren Einschnitten des Sozialstaates und einer Verschärfung der Verfolgungsbetreuung durch die Jobcenter beschreiben. Das vollständige Papier ist im Internet inzwischen verfügbar[2] und führt bereits zu empörten Reaktionen in der noch verbliebenen kritischen Fachwelt. Aber auch zu ersten Aktionen sozialer Netzwerke, die ihren Widerstand bereits formieren. Taugenichts, du hast einen Namen Als verfassungswidrige Giftliste, die bereits „Schlimmes noch schlimmer macht“ bewertet auch Katja Kipping von den Linken die Vorschläge, die wiederum notorische Befürworter der Agenda-Politik wie der Vorstand der BA Heinrich Alt oder auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte und Gemeindebundes, lieber heute als morgen umgesetzt sehen. Mit gewohntem Zynismus und im bekannt euphemistisch-orwellschen Verdummungsdeutsch legitimiert Alt eine verschärfte Hetze gegen die Erwerbslosen: “Wir sollten das Leistungsrecht einfacher machen, um mehr Zeit dafür zu haben, die Menschen in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen.”[3] So spricht einer, der in den letzten zehn Jahren jede öffentlich verkündete Zielmarke verfehlt und auf ganzer Linie versagt hat, wohl gebettet mit einem Jahresgehalt von ca. 250.000 Euro. Finanziert aus Steuergeldern, aus Transferleistungen sozusagen, die er anderen gerne schon mal auf Null kürzen will. Weil „Anreizsysteme kritisch überdenkt werden müssen“, wie Alt schwadroniert, sich selbstredend von den Neuregelungen ausnehmend. Und gibt im gleichen Atemzug zu (ausnahmsweise mal offen und ehrlich): “Wenn wir es einfacher machen wollen, wird es sicher auch wieder etwas ungerechter werden. Aber wenn wir nicht bereit sind zu etwas mehr Ungleichheit, wird das System so komplex bleiben.”[4] Taugenichts, du hast einen Namen! Alleinerziehenden die Zuschläge streichen Richtig ungerecht wird es demnach für Alleinerziehende (zu 85 % Frauen), die Herr Herrenmensch nicht ohne Gegenleistung absichern möchte. Wer nicht wenigstens zu Hungerlöhnen einer (geringfügigen) Arbeit nachgehe oder an einer schwachsinnigen Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen will, der soll der Zuschlag genommen werden. Derartige Ansinnen müssen wohl der persönlichen Situation dieser „Experten“ geschuldet sein, die offensichtlich nicht wissen was es heißt, Kinder alleine zu erziehen. Keine Nachhilfe für die Kinder Ein Recht auf Nachhilfe soll auch Kindern genommen werden, die das Pech haben, in armen Verhältnissen aufwachsen zu müssen – selber schuld. Aus dem Landkreistag kommt – ei der Daus – doch glatt der Vorschlag, die Nachhilfe für Hartz-IV-Kinder im Bildungspaket zu streichen, die Kreise sähen hier die Schulen in der Pflicht. Ein dreister Vorschlag, bräuchten die Kreisdezernenten und Landräte nur einmal in ihren Schulbehörden nachzufragen um zu wissen: Das können die Schulen bei ihrer heutigen personellen und finanziellen Ausstattung nicht einmal im Ansatz leisten. Aber scheißegal, Hartz-IV-Kindern täte gute Bildung eh nicht gut, ihnen wird die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg auch auf anderen Wege schon hinreichend und willentlich verbaut. Giftliste mit einhundertvierundzwanzig Verschlimmerungsvorschlägen Einhundertvierundzwanzig Verschlimmerungsvorschläge wurden so erarbeitet, ich will sie hier nicht alle aufzählen und verweise nochmals auf das veröffentlichte Positionspapier der ASMK. Viel wichtiger erscheint mir nun, dass der Widerstand gegen diese Verelendungspolitik anschwillt. Dazu gibt es erste Ansätze in den sozialen Netzwerken, die mit einer Flut von Protestbriefen und –mails Druck auf die Verantwortlichen ausüben wollen. Auf dass sie in Post und ihren wirren Vorstellungen versinken mögen! Protest gegen die Not! Ein Beispiel, wie eine solche Protestnote formuliert werden kann, will ich hier gerne zitieren. Der Autor, der ehemalige Fallmanager Burkhard Tomm-Bub, dessen Namen ich hier ausdrücklich nennen darf, stellt sein Beispiel offensiv zur Verfügung. Tomm-Bub kennt die Jobcenter aus ihrem Inneren heraus, er hat am eigenen Leibe erfahren, wohin das menschenverachtende System führt.[5] Und er kämpft dagegen an, wie wir unschwer sehen und lesen können: „Guten Tag! Meiner Kenntnis nach sind im o.a. Papier u.a. Verschärfungen im Bereich der Alleinerziehenden, der Selbstständigkeit, bei den Haushalts- und Bedarfsgemeinschaften, bei Klagen und bei Widersprüchen angedacht. Bereits die jetzige Lage ist zum Teil wahrhaft katastrophal – und dies sage ich als Insider. Ich fordere Sie im Namen der Menschen und der Humanität dringend auf, dies zu unterlassen! Statt dessen beenden Sie unbedingt baldmöglichst die Sanktionierungen, insbesondere die um 60% und um 100%. Diese sind unwürdig, inhuman und verfassungswidrig, wie Sie sehr wohl wissen. Eine deutlich Erhöhung des Regelsatzes wäre einem reichen Land wie Deutschland ebenfalls äußerst angemessen. Genug Geld ist vorhanden, auch das wissen Sie. Verdienen Parteien mit einem “C” oder einem “S” in ihrem Namen selbiges, wenn ihre Entscheidungsträger sich verhalten, wie Sie es tun? Sicher nicht. Haben Sie ein Gewissen? Haben Sie einen Spiegel in den Sie schauen können? Gruß Burkhard Tomm-Bub, M.A. Ex – Fallmanager“ Gesendet an: post@staedtetag.de, dstgb@dstgb.de, info@kommunen-in-nrw.de, info@gstbrp.de, Hans-Guenter.Henneke@Landkreistag.de, info@bmas.bund.de, Zentrale@arbeitsagentur.de, Heinrich.Alt@arbeitsagentur.de, info@deutscher-verein.de Weitere Adressaten können die Leiter der örtlichen Jobcenter/Arbeitsagenturen, die Landräte und Kreisdezernenten, Bürgermeister, Abgeordnete usw. sein. [1] vgl. http://norbertwiersbin.de/generalstab-gegen-den-sozialen-frieden-insm-und-bertelsmann-stiftung/ und hier http://norbertwiersbin.de/agenda-2020-sozialstaat-unter-dauerfeuer/ [2] http://www.harald-thome.de/media/files/ASMK-Rechtsvereinfachungen-SGB-II—27.09.2013.pdf [3] http://www.welt.de/politik/deutschland/article121609442/Arbeitsagentur-fordert-schaerfere-Hartz-IV-Regeln.html [4] ebenda [5] Burkhard Tomm-Bub, Aufruf vorm Spiegel zu verweilen, http://www.youtube.com/watch?v=rpmOhwPalRs © Norbert Wiersbin (2013)

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