Freitag, 8. August 2014

Mexico: Rohstoffe auf Kosten der indigenen Bevölkerung

Nachtrag (1): Adveniat, 11.07.2014 Mexikos Bergbau ist laut einer neuen Studie für zahlreiche Sozialkonflikte verantwortlich. Dadurch kommt es zu Zwangsumsiedlungen, bewaffneten Auseinandersetzungen und vor allem zu einer starken Zunahme von Gewalt. Indigene Bevölkerungsgruppen in Mexiko werden in hohem Maße diskriminiert und vom politischen Leben ausgegrenzt. Doch viele wehren sich mittlerweile gegen soziale Ungerechtigkeiten. 192 Konflikte mit indigenen Gemeinden schwelen zurzeit in dem nordamerikanischen Land. Dabei gehen viele Auseinandersetzungen auf religiöse Diskepanzen, Vertreibungen und Streit um Landbesitz zurück. Die Mehrheit der Spannungen jedoch beruht auf Konflikten mit transnationalen Bergbauunternehmen, so eine Studie der Kommission für den Dialog mit den indigenen Völkern (CDPIM). "Von 1993 bis 2012 hat die mexikanische Regierung 43 675 Bergbaukonzessionen vergeben. Dies entspricht einer Oberfläche von fast 96 Millionen Hektar, also knapp der Hälfte unseres gesamten Landes", erklärt der Kommissionsbeauftragte Jaime Martínez Veloz. Das Problem dabei ist, dass sich viele dieser Bergwerke direkt in indigenem Gebiet befinden, wo das Land am ressourcenreichsten ist. Die Bergleute arbeiten hauptsächlich im Tagebau, das heißt, Erdreich und Felsgestein werden unter freiem Himmel in großen Mengen abgetragen. "Für nur eine Tonne Metall", so der Expterte, "müssen 119 Millionen Tonnen Erde bewegt werden. Das komme einer Zerstörung von 400 Hektar Land gleich." Zur Gewinnung des Metalls aus dem Gestein verwenden die meisten Minenbetreiber große Mengen an gifitigen Chemikalien wie Zyanid. Mit gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt: Erdreich und Grundwasser werden langfristig verschmutzt. Einheit aus Mensch, Erde, Natur "Das Hauptproblem besteht darin, dass die Firmen die indigenen Völker nicht als Partner wahrnehmen, sondern als Störfaktor betrachten. Sie beuten Arbeiter und Lagerstätten in großem Umfang aus", erklärt Jaime Martínez Veloz. Neben den verursachten Umweltschäden mißachten die Multis vor allem die Landrechte und -nutzung der indigenen Gemeinden. Dabei kommt es oft vor, dass in größerem Umfeld Rohstoffe abgebaut werden, als eigentlich gesetzlich erlaubt ist. Auch das in internationalen Abkommen festgehaltene Recht auf vorherige Konsultation bei allen Arten von Ressourcenabbau- und Infrastrukturprojekten in indigenen Territorien findet kaum Beachtung. Für die indigenen Völker geht der Begriff Boden jedoch weit über das Konzept des Raumes hinweg. Er definiert ihre Sozialstruktur als Ergebnis einer Einheit aus Mensch, Erde und Natur. Kommt es zu einem Verlust des Bodens, verlieren sie auch jegliche Lebensgrundlage. Durch soziale Marginalisierung und erschwerten Zugang zu Bildung können sie sich selten in einem neuen Umfeld zurechtfinden. Die Regierung lässt sie mit ihren Problemen meist völlig allein. Oder noch schlimmer. Sie kriminalisiert die Gegner von Bergbauprojekten, um millionenschwere internationale Geschäfte reibungslos ablaufen zu lassen. Paradies der Bergbauindustrie Das Bergbaugeschäft in Mexiko könnte nie besser laufen. Das Land ist größter Silberproduzent der Welt. In der Goldproduktion belegt es den neunten Platz. Innerhalb von nur zehn Jahren (2000 bis 2010) erwirtschaftete Mexiko 420 Tonnen Gold. Das sind mehr als doppelt so viel Edelmetall, als die spanische Krone über drei Jahrhunderte lang (1521 -1810) aus dem Land schiffen konnte. Die internationale Bergbauindustrie setzt schon lange auf Mexiko als sicheres Investitionsziel. Vor allem kanadischen Firmen sind starkt vertreten. 70% des gesamten Bergbausektors liegen laut Studie in kanadischer Hand. Ihre Einnahmen zwischen 2005 und 2010 beliefen sich nach der staatlichen Wirtschaftsprüfung auf 552 Millarden Pesos. Davon bezahlten die Multis nur rund 6,5 Millarden Pesos Steuern, also gerade einmal 1,18 % ihres Gewinnes. Ex-Präsident Felipe Calderon sorgte dafür, dass Mexiko zu einem Paradies der Bergbauindustrie wurde. Konzessionen sind einfach, schnell und preiswert zu erwerben, gelten 50 Jahre lang und sind ebenfalls um die gleiche Zeit verlängerbar. Im Durchschnitt kostet ein konzessionierter Hektar zwischen 5 und 125 Pesos. Umweltauflagen existieren so gut wie gar nicht. Oft sind die Firmen selbst mit dem Umweltmonitoring beauftragt. Außerdem gilt laut mexikanischer Verfassung der Bergbau als Angelegenheit des öffentlichen Interesses, womit er gegenüber anderen Ressourcennutzungen Priorität genießt. Indigenes Konsultationsgesetz 42 Ethnien zählt Jaime Martínez Veloz, die auf einer Fläche von etwas mehr als 2 Millionen Hektar direkt unter den massiven Abbaumaßnahmen leiden. "Am stärksten betroffen sind die Territorien der Rarámuri, Zapoteken, Chatinos, Mixteken, Coras und Tepehuanes", so der Verantwortliche der Studie. Teilweise umfasst die Abbaufläche bis zu 97% des gesamten Siedlungsgebietes, wie es bei den Paipai im Norden von Baja California der Fall ist. "So etwas kommt einem Angriff auf die eigene Existenz gleich", meint ebenfall der Ethnologe Eckard Boege. Daher sei es nicht verwunderlich, dass sich bewaffnete Auseinandersetzungen häufen und die Gewalt in diesen Regionen deutlich angestiegen ist. Um solche Konflikte langfristig zu vermeiden oder zu transformieren, plädiert Jaime Martínez Veloz schon lange für das indigene Konsultationsgesetz. Es schreibt vor, die betroffenen indigenen Bevölkerungsgruppen vor einem Entwicklungsprojekt in ihrer eigenen Sprache zu konsultieren. Ebenfalls sollen internationalen Abkommen auf Verfassungsebene gestellt werden. Noch hängt der neue Gesetzesvorschlag zur Abstimmung im mexikanischen Kongress fest. Autorin: Sara Charlotte König URL: http://www.blickpunkt-lateinamerika.de/news-details/article/rohstoffe-auf-kosten-der-indigenen-bevoelkerung.html?no_cache=1&cHash=8692d7782d0c6763f644b4b43389b219 _______________________________________________ Chiapas98 Mailingliste JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider Chiapas98@listi.jpberlin.de https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98

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