Freitag, 8. August 2014

Mexico: Proteste gegen Bergbau und seine Folgen

Gold und Silber werden im Ocotlán-Tal abgebaut - ein Millionengeschäft für die Bergbaufirma und ein immenser Schaden für die Natur. Die dort ansässigen Ureinwohner haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen die Verseuchung von Böden und Gewässern vorzugehen. Der Konflikt spitzt sich zu. "Sie haben uns brutal unterdrückt. Die Bergbaufirma spaltet unsere Gemeinschaft, doch wir werden uns weiter wehren. Einige Menschen mussten bereits von hier fliehen." Die Schilderungen von Rosalinda Dionisio, einer Zapoteca-Indigenen aus dem südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca, sind nur ein Beispiel für die zunehmenden Konflikte zwischen Ureinwohnern und der Industrie. Die 30-Jährige humpelt, weil ihre Beinverletzung noch nicht auskuriert ist. Gemeinsam mit anderen Aktivisten, die gegen die Bergbauunternehmen im Land protestieren, hat sie im März 2012 einen gezielten Angriff nur knapp überlebt. Bei Zusammenstößen während der Proteste in der Stadt San José del Progreso wurden bisher vier Aktivisten getötet. Die Mitglieder der Koordinationsgruppe der Vereinigten Völker des Ocotlán-Tals kämpfen gegen das in dem Gebiet tätige Unternehmen ´Minera Cuzcatlán´, einer Tochterfirma des kanadischen Konzerns ´Fortuna Silver Mines´. Auf einer Fläche von 700 Hektar werden in nächster Nachbarschaft zu San José del Progreso Gold und Silber abgebaut. Die Vorkommen befinden sich in der Nähe einer der drei einkommensschwächsten Städte Oaxacas, dem zweitärmsten Bundesstaat Mexikos. Die meisten der rund 6.200 Einwohner sind gegen den Bergbau, weil er die umliegenden Böden und Gewässer verseucht. Bürgermeister Alberto Sánchez und eine Gruppe von Bürgern unterstützen jedoch die Bergbauaktivitäten. Gemeinschaft gespalten Die Spaltung der Einwohnerschaft von San José hat Konflikte hervorgerufen, ähnlich wie in anderen Bergbaugebieten Mexikos. Das lateinamerikanische Land erlebt seit der Amtszeit des ehemaligen Staatspräsidenten Felipe Calderón (2006-2012) einen Bergbauboom. Das 1992 erlassene Bergbaugesetz hatte die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich etwa 300 Unternehmen rund 31.000 Schürfkonzessionen für 800 Projekte auf einer Fläche von fast 51 Millionen Hektar sichern konnten. Die meisten der beteiligten Firmen stammen aus Kanada, wie aus kürzlich veröffentlichten Berichten der Regierung hervorgeht. Die Behörde ´ProMéxico´, die die Beziehungen zu ausländischen Investoren pflegt, und die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) berichten, dass Mexiko der weltgrößte Förderer von Silber ist. Bei der Produktion von Wismut liegt das Land international an dritter Stelle, bei Molybdän und Blei an fünfter und bei Gold an neunter Stelle. Im vergangenen Jahr bot der Bergbausektor in Mexiko 300.000 direkte Arbeitsplätze und brachte Investitionen in Höhe von sieben Milliarden US-Dollar ins Land. Offiziellen Daten zufolge trug der Bergbau damit zu zwei Prozent zum mexikanischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Nach Vorhersagen von ProMéxico wird dieser Anteil bis 2014 auf vier Prozent steigen. In den kommenden sechs Jahren könnte der Wirtschaftszweig demnach 35 Milliarden Dollar an Investitionen anziehen. Auf etwa 70 Prozent des mexikanischen Territoriums lagern nach staatlichen Schätzungen beträchtliche Mengen an Bodenschätzen. Industrieabwässer verschmutzen Trinkwasser Dorfgemeinschaften geraten jedoch immer wieder mit den Bergbaufirmen aneinander, weil Wälder abgeholzt werden und toxische Flüssigabfälle die Umwelt verseuchen. Seit den 1970er Jahren kämpfen die Einwohner von la Mira im westlich gelegenen Bundesstaat Michoacán gegen die Eisenerzmine ´Las Truchas´, die von ´Siderúrgica Lázaro Cárdenas-Las Truchas´ betrieben wird. Das Mutterunternehmen ist der indische Stahl- und Bergbaukonzern ´Arcelor Mittal´. "Sie haben das Wasser und die Luft verschmutzt. Sie zerstören unsere Häuser und nehmen alles mit", protestiert Melitón Izazaga, Vorsitzender der Bürgerorganisation ´Colonias Unidas de La Mira´. Deren Mitglieder sind Anwohner, die unter der Produktion von rund 100.000 Tonnen Stahl im Monat leiden. Das Bergwerk und die Fabrik haben mit ihren Abwässern die nahe gelegenen Flüsse verschmutzt, die den Menschen in dem Gebiet als Trinkwasserquellen dienen. Juristische Schritte gegen die Industrieaktivitäten waren bisher erfolglos. Beschlüsse des Ständigen Tribunals der Völker nicht bindend Über die Zustände in San José und La Mira beriet vom 21. bis 23. Juni die mexikanische Sektion des Ständigen Tribunals der Völker in Cuernavaca, der Hauptstadt des zentral gelegenen mexikanischen Staates Morelos. Das symbolische Gericht hat 2011 seine Arbeit in Mexiko aufgenommen und wird seine Anhörungen bis 2014 fortsetzen. Die Beschlüsse sind rechtlich nicht bindend. Diskutiert wird über die Themen Gewalt, Straffreiheit und den mangelnden Zugang zur Justiz sowie über Migration, Frauenmorde und andere Formen der Gewalt gegen Frauen, Angriffe auf die Nahrungssouveränität, Umweltzerstörung und Bürgerrechte. Fernanda Campos, Wissenschaftlerin an der Autonomen Universität Mexikos, sieht den Bergbau nicht als ein Modell für Entwicklung, sondern für Ausbeutung. "Wenn wir sie nicht stoppen, werden wir fortgehen müssen." Die Regierung des konservativen Präsidenten Enrique Peña Nietos, die am 1. Dezember ihre Amtsgeschäfte aufnahm, hält an den Garantien für Investoren im Bergbausektor fest. Wissenschaftler und Aktivisten kritisieren, dass es keine solchen Garantien für die Rechte der Einwohner der Gebiete und vor allem für Ureinwohner gebe. Ureinwohner besonders benachteiligt Der Anteil der Indigenen an der mexikanischen Bevölkerung von 107 Millionen Menschen wird auf zwölf bis 30 Prozent geschätzt. Der untere Prozentwert basiert auf Untersuchungen der Regierung über die Zahl der Menschen, die eine Ureinwohnersprache sprechen. Im Zeitraum 2000 bis 2012 wurden Lizenzen für Bergbau auf zwei Millionen der insgesamt 28 Millionen Hektar Land vergeben, die als indigene Territorien gelten. Nach Angaben des Observatoriums für Bergbaukonflikte in Lateinamerika gibt es in der gesamten Region 175 Streitfälle im Zusammenhang mit dem Abbau von Rohstoffen, 21 davon in Mexiko. Quelle: IPS, Autor: Emilio Godoy, deutsche Bearbeitung: Corina Kolbe URL: http://www.blickpunkt-lateinamerika.de/news-details/article/proteste-gegen-bergbau-und-seine-folgen.html?no_cache=1&cHash=c21b6448b43070ed273d709ca131417d _______________________________________________ Chiapas98 Mailingliste JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider Chiapas98@listi.jpberlin.de https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98

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