Dienstag, 9. August 2016

(K)ein Ehrenbürger

An die antifaschistische Gegenwehr in Hamburg erinnert ein Ehrenhain auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Biermanns Name findet sich in der Gedenkstätte Ernst Thälmann und im Standardwerk »Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand«.


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Eine Erinnerung an den Kommunisten, Antifaschisten und Internationalisten Dagobert Biermann (1904 bis 1943)

Von Heinz Jürgen Schneider

Quelle: jungeWelt vom 1. Februar 2007

In Berlin wird der Liedermacher und Kommunistenhasser Wolf Biermann Ehrenbürger. Einem Hamburger Namensvetter ist bisher jegliche Ehrung versagt geblieben. Dagobert Biermann wird am 13. November 1904 in Hamburg geboren. Er organisiert sich in der KPD, die ein anderer Hamburger Arbeiter, Ernst Thälmann, als Vorsitzender repräsentiert. Den Faschismus, gefördert auch von Bankiers und Werftbesitzern der Hansestadt, bekämpft er, Kommunist und Jude, schon vor 1933.
Nach der Machtübertragung an Hitler geht er in den Untergrund. Mit anderen Genossen verbreitet Biermann illegal die Hamburger Volkszeitung. Die Gruppe fliegt auf. Es folgen zwei Jahre Haft im Lübecker Gefängnis. Dagobert Biermann ist ungebrochen. Er findet nach der Entlassung im Mai 1935 Arbeit als Schlosser auf der Deutschen Werft und auch wieder Anschluß an Partei und Widerstand.
Im Sommer 1936 putscht Franco gegen das republikanische Spanien. Hitler unterstützt ihn mit Soldaten und Waffen. Hamburgs Hafen ist Umschlagplatz der Waffentransporte. Biermann erfährt von seinem Schwager Karl Dietrich, der als Schiffsführer im Hafen arbeitet, davon. Mit anderen Antifaschisten vereinbart er, Material für alle Spanien betreffenden Vorgänge im Hafen zu sammeln. Zu der Gruppe gehören Werftarbeiter, aber auch der mit Berufsverbot belegte Rechtsanwalt Herbert Michaelis, der Kontakte ins politische Exil hat.
Im März 1937 übergibt Dietrich an Biermann als Beweis für die geheimgehaltenen Waffenlieferungen zwei Gewehrpatronen, die er im Hafen sicherstellen konnte. Beide Patronen trugen im Gegensatz zur üblichen Gewehrmunition keine Bezeichnung über Herstellungsort, -zeit und Geschoßart. Solche Informationen, Meldungen über Schiffsbewegungen in Richtung Spanien und anderes Material gingen über Michaelis an die Abschnittsleitung Süd der KPD in Basel und damit an die internationale Öffentlichkeit.
Im Hafen kursieren Flugblätter, die zur Solidarität mit dem spanischen Freiheitskampf aufrufen. Über Nacht werden Losungen gemalt wie »Keine Waffen für Franco«, die am nächsten Tag bei Schichtbeginn auf der Werft zu lesen sind. 1937 gelingt es der Gestapo, einen Spitzel in die Widerstandszelle einzuschleusen. Biermann und andere werden verhaftet. 1939 verurteilt der faschistische Volksgerichtshof Michaelis zum Tode, seine Mitkämpfer zu Haftstrafen. Dagobert Biermann erhält sechs Jahre Zuchthaus.
1942 beschließen die Nazis, jüdische politische Häftlinge systematisch zu ermorden. Sie lassen Zuchthäuser und Konzentrationslager durchkämmen. Dagobert Biermann wird nach Auschwitz deportiert, wo er am 2.August 1943 stirbt.
An die antifaschistische Gegenwehr in Hamburg erinnert ein Ehrenhain auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Biermanns Name findet sich in der Gedenkstätte Ernst Thälmann und im Standardwerk »Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand«.
Die Freie und Hansestadt Hamburg gedenkt seiner nicht. Es gibt keine Schule, Straße oder offizielle Gedenktafel. Überlebende Mitglieder des Hafenwiderstands gerieten nach 1945 in die Fänge der Adenauerjustiz, Biermanns Partei wurde 1956 wieder verboten. Zu Hamburgs Ehrenbürgern gehören der Mann, der Hitler zum Reichskanzler ernannte und drei Leutnants seiner Wehrmacht.
http://kommunisten-online.de/Archive/blackchanel/dagobert_biermann.htm

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