Donnerstag, 22. September 2016

Eine hartnäckige Pazifistin (Joachim Maiworm)


Sie ist seit ihrer Schulzeit friedenspolitisch aktiv, trat unter dem Eindruck von Willy Brandts Entspannungspolitik mit 16 Jahren in die SPD ein, nahm Anfang der 1980er Jahre an Blockadeaktionen gegen den NATO-Doppelbeschluss teil – und macht sich seit 2013 als Abgeordnete im Bundestag für zivile Konfliktbearbeitung stark: Ute Finckh-Krämer.

Eine »etwas andere Stadt-Führung«, die die Politologin und langjährige linke Aktivistin Angelika Wernick seit einigen Monaten in Berlin anbietet, ermöglichte im August eine Begegnung mit Ute Finckh-Krämer. Unter dem Titel »Neugierig in Berlin« organisiert Wernick Touren, die einen Blick hinter die Kulissen erlauben − zu den Themenschwerpunkten Politik, Alternativprojekte sowie Kunst und Kultur. Der Austausch mit kreativen und engagierten »Pionieren und Gestalterinnen« steht dabei im Mittelpunkt, die TeilnehmerInnen sollen bereit sein, auch fremdes Terrain zu betreten und sich auf den Kontakt mit ihnen bisher unbekannten »Insidern« einzulassen.

Finckh-Krämer ist keine prominente Politikerin, aber eine prägende Kraft der Friedensbewegung. Und über die wird selbst in linken Medien kaum noch berichtet. Grund genug, dass sich eine Gruppe von gut einem Dutzend Interessierten mit der Abgeordneten zu einem Gespräch traf. Auf dem kurzen Weg vom Ausgangspunkt der Tour – den Grundrechte-Tafeln an der Spreepromenade im Regierungsviertel – zur Politikerin ließen sich die TeilnehmerInnen zunächst von der Veranstalterin erzählen, welche biographischen Eckpunkte die politische Entwicklung der Sozialdemokratin entscheidend bestimmten. Sie ist die älteste Tochter von Ulrich Finckh, einer Ikone der Friedensbewegung, der im Alter von 15 Jahren als Luftwaffenhelfer eingezogen wurde, danach in den Reichsarbeitsdienst und zur Kriegsmarine musste – und seinen Kindern später von den Leiden des Krieges berichten konnte. Seit Anfang der 1970er Jahre leitete er über mehr als drei Jahrzehnte als Vorsitzender die »Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen«. So familiär vorgeprägt fand die Tochter zu ihrem zentralen Thema: Friedenspolitik.

An ihrem Arbeitsort, dem Parlamentsgebäude Unter den Linden 50, erläuterte ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter den BesucherInnen einige architektonische Merkmale der Immobilie, des grundsanierten ehemaligen Hauses des Ministeriums für Außenhandel der DDR. Der Deutsche Bundestag beauftragte 1996 den Wattenscheider Künstler Klaus Rinke mit der Errichtung der monumentalen Installation »Sonnenstrahl im Birkenhain« im Innenhof. An der Spitze eines geneigten und sich nach oben verjüngenden Schafts, knallgelb leuchtend, ragt in rund 25 Metern Höhe eine große runde Polyester-Kugel hervor. Rinke wollte mit seinem Kunst-am-Bau-Projekt einen Ort in Berlin schaffen, so informiert die Website des Bundestages, »der die dunkle Vergangenheit etwas mit Sonnenlicht aufhellt«. In gewisser Weise stellt auch Finckh-Krämer eine »Leuchte« im weitgehend gleichgeschalteten Parlamentsbetrieb dar. Vielleicht nur eine kleine, denn ihr Werben für friedenslogische Ansätze im Regierungshandeln wird bisher auf der Ebene der »harten Außenpolitik« weitgehend ignoriert. Aber gerade wegen ihrer marginalisierten Position sticht im Bundestag Finckh-Krämers Widerstand gegen die herrschende Sicherheitslogik zumindest punktuell hervor. Unter anderem setzt sie sich als Sprecherin des Unterausschusses »Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln« für gewaltfreie Lösungsstrategien ein, als Vorstandsmitglied des Bundes für Soziale Verteidigung (Motto: »Militär und Rüstung abschaffen«) engagiert sie sich darüber hinaus außerparlamentarisch für die Verbreitung eines radikalen Pazifismus.

Während Sicherheitspolitiker und Verfassungsjuristen seit Jahren den Verteidigungsbegriff des Grundgesetzes neu definieren und den geografischen Einsatzraum der Bundeswehr ausweiten, stimmt Finckh-Krämer konsequent gegen jeden Auslandseinsatz der Armee. Sie setzt auf Alternativen, befürwortet zum Beispiel das Instrument der Friedensmediation. Vertrauensbildende Maßnahmen wie diese setzen eine Menge politische und persönliche Geduld voraus. Offensichtlich fehlt es dieser Abgeordneten daran nicht, denn – so der Eindruck während der Gesprächsrunde – sie kämpft unbeirrt gegen die Mainstream-Position ihrer eigenen Partei wie gegen Windmühlen an und streitet für ein neues friedenspolitisches Profil der Sozialdemokratie.

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