Donnerstag, 20. Oktober 2016

Unglück? Unfall?

Am vergangenen Montag explodierte beim weltweit größten Chemiekonzern BASF im Nordhafen von Ludwigshafen (das dortige Werk ist das größte zusammenhängende Chemieareal der Welt) eine Rohrleitungstrasse mit der Vorprodukte von Schiffen zu den eigentlichen Produktionsstätten transportiert werden. Tote und Schwerverletzte sind das Resultat - bei BASF keine Seltenheit.
Alleine in diesem Jahr hat es bereits 15 Vorfälle gegeben, die der Chemiekonzern meldete, im vergangenen Jahr waren es "nur" 13 - in Ludwigshafen. Im Februar und Mai gelangte Hunderte Kilogramm Melamin, einer biologisch schwer abbaubaren Komponente zur Herstellung von Klebstoffen, durch die Kläranlage in den Rhein. Im Juni war aus einer neuen Anlage für Kunststoffvorprodukte Phosgen, das im Ersten Weltkrieg als Giftgas eingesetzt wurde, ausgetreten. Im September liefen 50 Liter Salzsäure aus. Erst vor wenigen Tagen regnete ein Gemisch aus Wasser, Ruß und Rohnaphtalin nieder, wodurch sechs Arbeiter verletzt wurden.
„Es vergeht fast keine Woche, ohne dass etwas passiert.“ heißt es vor Ort.
„Über die Brandentstehung weiß man nichts“, und: „Die Leitwarte gibt keine Information, welche Rohre geborsten sind.“ musste der Werksleiter in der Pressekonferenz am Tag nach dem Unglück eingestehen. Er war sich jedoch ganz sicher, dass es keinerlei Gefährdung von anwohnern gäbe. Informationen der Stadt Ludwigshafen zufolge hätten Messungen der Feuerwehr jedoch erhöhte Werte verschiedener chemischer Substanzen ergeben. Daher forderte man auf sich nicht längere Zeit im Freien aufzuhalten oder gar dort zu arbeiten, sowie Fenster und Türen geschlossen zu halten.
BASF hat Tradition, u.a. als IG Farben - die auch das Zyklon B für die Gaskammern des deutschen Faschismus produzierte. Es gibt aber auch eine Tradition der "Unglücke" bzw. "Unfälle":
September 1921: Ein Silo im Stickstoffwerk Oppau bei Ludwigshafen explodiert – 561 Menschen sterben. 2000 Verletzte. Gemeinden in Schutt und Asche.
Juli 1948: Ein undichter Kesselwagen explodiert – 207 Menschen sterben! 3800 werden verletzt. 7350 Gebäude beschädigt.
November 1953: Dioxin strömt aus einem Druckbehälter: Ein Arbeiter stirbt, mehrere Verletzte – Dutzende erkrankten an „toxischen Chlorkohlenwasserstoffen“.
Dezember 1966: 63 Menschen werden bei einer Explosion verletzt.
Juli 1995: Bei einer Verpuffung in einem Labor stirbt ein Arbeiter, drei werden schwer verletzt.
Januar 1996: 3,3 Tonnen Chemikalien laufen nach einer Explosion aus kaputten Tanks in den Rhein, drei Arbeiter der werkseigenen Feuerwehr werden verletzt.
August 1998: Im Keller einer Syroporfabrik explodiert ein Behälter. Zwei Arbeiter sterben.
Mai 2001: In einer Produktionsanlage explodiert eine Maschine. Eine Gas-Wolke legt sich über die Region.
Februar 2002: Ein 200-Liter-Kessel mit einem Lösemittel und einem Produkt zur Futtermittelherstellung explodiert: elf Verletzte.
Tote und Verletzte, die mit einem Kopfgeld abbezahlt werden. Tote und Verletzte, die BASF nur wegen Börsenkurs und Produktionsausfall tangieren. Tote und Verletzte, für die niemand anderes verantwortlich ist als BASF. Tote und verletzte, für die niemand wirklich zur Verantwortung gezogen wurde. Ermordete und Verkrüppelte als Produkt des Imperialismus, immer wieder - bis diesem System ein Ende bereitet wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen