Donnerstag, 20. Oktober 2016

Von der Leyen im Cyberwahn


Töten auf Knopfdruck? Bundeswehr rüstet zum Informationskrieg

Von Franziska Lindner
RTX2LI1Q.jpg
Auch mal drücken: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am 17. August auf dem Luftwaffenstützpunkt Jagel
Am vergangenen Freitag hat die Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU), den altgedienten Generalmajor Ludwig Leinhos zum ersten »Cyber-Inspekteur der Bundeswehr« ernannt. Ab April 2017 wird er die Führung des bis dahin neu aufzubauenden Kommandos Cyber- und Informationsraum (CIR) wahrnehmen. Für das Kommando mit Sitz in Bonn sind 300 Dienstposten vorgesehen. Dem gesamten neuen militärischen Organisationsbereich CIR sollen 13.500 Dienstposten angehören. Damit bildet das CIR einen komplett neuen Organisationsbereich neben den Teilstreitkräften Heer, Marine und Luftwaffe sowie der Streitkräftebasis und dem Zentralen Sanitätsdienst.
Laut Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums vom 14. Oktober soll das Personal vorwiegend aus anderen Teilen der Bundeswehr bezogen werden. Der, gemäß der Mitteilung, »Individualität und Vielfalt« bietende Bereich CIR soll auch für Quereinsteiger attraktiv sein. Ziel sei es, Spezialisten aus der Wirtschaft als Reservisten für das CIR zu gewinnen. Die dazugehörige Werbekampagne steht unter dem Slogan »Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt«.
Zuvor, am 5. Oktober 2016, hatte von der Leyen die Abteilung Cyber- und Informationstechnik (CIT) im Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) neu aufgestellt. Zweck ist die Bündelung der mannigfachen Zuständigkeiten, die sich aus dem Themenkomplex Informationstechnologie ergeben. Die Behörde gliedert sich in zwei Unterabteilungen: Cyber-/IT-Governance mit Sitz in Berlin und IT-Services/Informationssicherheit mit Sitz in Bonn. IT-Leiter (das BMVg spricht von Chief Information Officer, CIO) ist Klaus Hardy Mühleck, der bereits als CIO für mehrere DAX-notierte Unternehmen, zuletzt Thyssen-Krupp, arbeitete.
Beilage Literatur Buchmesse
An der Bundeswehr-Universität München ist ein ganzes Forschungszentrum für den Cyberraum geplant als »ressort­übergreifende Einrichtung (…), die neben moderner Forschung und Lehre auch aktives Management von Innovationen im Bereich Cyberabwehr, Digitalisierung und IT betreiben wird«, so das Verteidigungsministerium in der oben erwähnten Pressemitteilung.
Mit diesen Vorhaben soll die Bundeswehr den von der Bundesregierung ausgemachten digitalen Gefahren begegnen, welche diese bereits im jüngsten »Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr« des Verteidigungsministeriums dargelegt hat. Dazu zählen Diebstahl und Missbrauch persönlicher Daten, Wirtschaftsspionage, die Schädigung kritischer Infrastrukturen mit weitreichenden Folgen für die Zivilbevölkerung sowie die Störung und Unterbindung von Regierungs- und Militärkommunikation. Eine besondere Herausforderung für pluralistische Gesellschaften sei ebenso die Nutzung der digitalen Kommunikation zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in »sozialen Netzwerken« und Nachrichtenportalen. Laut »Weißbuch« können neben Staaten »auch terroristische Gruppen, kriminelle Organisationen und versierte Einzelpersonen (…) potentiell mit geringem Aufwand erheblichen Schaden anrichten«. Die Wahrung der Cybersicherheit und -verteidigung erfordere daher eine umfassende Cybersicherheitspolitik, die als gesamtstaatliche Aufgabe gemeinsam zu bewältigen sei, so das »Weißbuch«.
Die digitale staatliche Sicherheitspolitik zur allumfassenden Überwachung sowie zur Kontrolle und Absicherung des Informationsflusses erhält somit eine militärische Komponente. Längerfristig könnte das Vorhaben auf die Etablierung eines neuen Soldatentypus in Deutschland hinauslaufen, wie er in den 2000er Jahren für den US-amerikanischen Drohnenkrieg konzipiert worden ist: Töten per Fernbedienung. Die Hemmschwelle sinkt, wenn Krieg per Knopfdruck vom Arbeitsplatz im Büro aus geführt werden kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen