Dienstag, 17. Januar 2017

Tote Hose 
Tote Hose in der Hochburg?: NPD in Pirna

 

Selbst in der Sächsischen Schweiz ist die 
NPD nur noch ein Schatten ihrer selbst

npd
Im August 2004 schaute die Republik mit Schrecken auf die Sächsische Schweiz. Diese war bis dahin als Touristenregion mit bizarren Felsen und malerischen Wanderwegen bekannt; nun aber entpuppte sie sich als braunes Kernland. Bei der Landtagswahl in Sachsen kam die NPD auf 9,2 Prozent. Einen Gutteil der Stimmen sammelte sie in der Region südlich Dresdens. Das Grenzdorf Reinhardtsdorf-Schöna wurde von Journalisten fast überrannt. Dort gaben 23,1 Prozent der Wähler ihre Stimme der NPD, die auf dem Weg zur Volkspartei schien.
Lang ist es her. Wenn man Markus Kemper vom Mobilen Beratungsteam des Kulturbüros Sachsen dieser Tage nach Aktivitäten der NPD in der Sächsischen Schweiz fragt, muss er länger überlegen. Im Juni entrollte ein halbes Dutzend Nachwuchs-NPDler beim Stadtfest in Pirna ein Transparent, das Migration als »Völkermord« bezeichnete. In Glashütte im Erzgebirge gab es vor sechs Monaten eine Demonstration gegen Zuwanderung. Ansonsten? Herrscht Funkstille.
Auf dem Papier ist die Partei noch am Leben. Sie wolle sich »als APO neu erfinden«, sagt Thomas Sattelberg, Ex-Rädelsführer der Kameradschaft »Skinheads Sächsische Schweiz« (SSS) und heute Kreischef der Partei. APO, außerparlamentarische Opposition, ist die NPD erzwungenermaßen, seit sie 2014 knapp am dritten Einzug in den Landtag scheiterte. Funktionäre wie Sattelberg oder Landeschef Jens Baur geben sich unbeirrt. Sie nehmen Kurs auf Wiederbelebung per Bürgernähe: Die NPD solle »Dienstleister für praktische Lebensführung« sein, hieß es kürzlich auf einem Landesparteitag - eine Art Kümmererpartei. Auch wolle sie den Bürgerinitiativen gegen die Asylpolitik helfend unter die Arme greifen.
Vollmundige Worte, denen freilich kaum sichtbares praktisches Engagement folgt. Zwar blieb der Kreisverband von einer Austrittswelle verschont, die anderswo in Sachsen auch Mandatsträger in Scharen von der Fahne gehen ließ. Sachsens Verfassungsschutz zählt Sattelbergs Trupp zu lediglich einer Handvoll Kreisverbände, die überhaupt noch Leben zeigen. Das ist allerdings relativ. Die Abgeordneten etwa entfalten kaum noch Engagement; im Kreistag wurde der letzte Antrag vor Monaten gestellt. Szenetreffs wie das »Haus Montag« in Pirna liegen im Dornröschenschlaf. Einst wurde befürchtet, die von Sattelberg nach Ideen italienischer Neofaschisten etablierte Lokalität könne Sammelpunkt und Rekrutierungsbasis der regionalen Szene werden. Tatsächlich hält sich die Zahl der Veranstaltungen in engen Grenzen.
Hält die NPD den Ball aber vielleicht nur flach, um während des Verbotsverfahrens keinen Anstoß zu erregen? Kemper glaubt das nicht. Der Verlust der Landtagsfraktion habe die NPD in eine »existenzielle Krise« gestürzt; es fehlt an Geld, und die Nachwuchsgewinnung stockt. Auch wenn das Verhältnis nie harmonisch war, suchten Schlägernazis etwa vom SSS doch einst die Nähe zur Partei, weil sie ab 2004 neben Geld und Jobs auch politischen Schutz durch Mandatsträger bieten konnte. All das aber ist seit knapp drei Jahren Geschichte.
Zugleich erwuchs der NPD schlagkräftige Konkurrenz. Zwar spielt die Identitäre Bewegung, die junge, aktionsorientierte Rechte anspricht, eher um Bautzen und im Erzgebirge eine Rolle als in der Sächsischen Schweiz. Die AfD allerdings mischt dort den Kreistag auf und organisiert auch Demonstrationen im Monatstakt - zur Zuwanderungspolitik, aber auch mit Slogans wie »Arme Kinder, arme Rentner, armes Deutschland«. Die Rechtspopulisten, sagt Kempers Kollegin Petra Schickert, greifen Themen auf, die einst die NPD besetzt hatte - »aber ohne die harte Keule des NS-Bezugs«. Landesschef Baur verweist gekränkt auf die Kärrnerarbeit der Kameraden: Man habe »Pegida und der AfD den Weg gebahnt«. Die Ernte aber fahren nun andere ein.

Im nd-Shop

Auch wenn freilich die NPD in ihrer einstigen Hochburg nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass alte rechte Netzwerke intakt sind. Obwohl etwa der Betreiber eines Naziversands in Pirna oder der Organisator der Randale vor dem Flüchtlingsheim in Heidenau ihre Ratsmandate für die NPD längst abgegeben haben, so bleiben sie doch weiterhin bestens vernetzt. Von einer »subkulturellen Geschäftswelt« rund um Tattoostudios, Sportvereine und Versandläden spricht Kemper: »Dieses Netzwerk ist jederzeit zu aktivieren.«

Ob es auch für die NPD je wieder zu nutzen ist, wird abzuwarten sein - und hängt nicht zuletzt vom Ausgang des Verfahrens in Karlsruhe ab. Die Landespartei jedenfalls gibt sich siegessicher. Sie lädt für Sonntag, nur vier Tage nach dem BGH-Urteil, in die »Stadthalle Stern« in Riesa zum »Jahresauftakt«. Man wolle zeigen, dass die NPD »ein lebendiger Faktor in der Politik geblieben« sei, heißt es. Auch wenn »lebendig« in diesem Fall eher heißt: Man ist noch nicht ganz tot.

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