Poonal v. 18.4.17
Von Nils Brock(Mexiko-Stadt/Berlin, 18. April 2017, npl).- Indigene Gemeinden in Mexiko könnten in ihrem Recht auf Medienmachen bald empfindlich eingeschränkt werden. Auch das allgemeine Radio- und TV-Publikum, dem das reformierte Mediengesetz (LFTR) aus dem Jahr 2014 zumindest auf dem Papier “ein plurales und vielgestaltiges Programm” garantiert, soll diese Ansprüche verlieren. Das befürchten zumindest mehr als 30 mexikanische NGOs und Netzwerke, darunter die Organisationen Article19, Amarc Mexiko, Serapaz und Amedi, in einem offenen Brief. Regulierungsbehörde soll ans Gängelband
Grund für die Sorge ist eine Stellungnahme der
Rundfunkkommission der parlamentarischen Abgeordnetenkammer vom
vergangenen 5. April zu Artikel 256 des LFTR. Dort heißt es
bisher, dass der öffentliche Rundfunkdienst unter Bedingungen
stattfinden muss, die sowohl “Wettbewerb und Qualität“ aber auch
“die Recht des Publikums” befriedigen – und zwar mit allem was
dazu gehört: Kultur, Vielfalt und gesicherten Informationen. Die
Rundfunkkommission empfiehlt nun jedoch die Streichung dieser
Garantien und zugleich die Einschränkung der Befugnisse der
Regulierungsbehörde Instituto Federal de Telecomuniciones (IFT),
denn Letzeres handle nicht verfassungskonform und missachte das
Recht der Meinungsfreiheit.
Die Mexikanische Gesellschaft des Rechts auf Information
(Amedi) interpretiert den Vorstoß der Kommission dagegen als
„eine Einmischung in die Justiz“, denn allein der Oberste
Gerichtshof (SCJN) habe die Kompetenz zu analysieren, inwiefern
die dem Publikum zugesicherten Rechte tatsächlich gegen die
Verfassung verstoßen und diese nicht eher umzusetzen helfe.
Zudem kritisiert Amedi, dass sich kommerzielle Medienunternehmen
als „Verteidiger der Meinungsfreiheit aufspielen“ obgleich „sie
dabei nur eigene Privilegien in Radio, TV, Presse und Internet
schützen, ihnen die Rechte des Publikums aber egal sind.
Erfolg des Community-Mobilfunknetzwerks TIC gefährdet
Unternehmen wie Televisa oder Telmex empfinden viele Auflagen
des LFTR seit seiner Verabschiedung als lästig und organisierten
sich kontinuierlich gegen das im Jahr 2013 geschaffene IFT. Das
verwundert wenig. Die Regulierungsbehörde agiert institutionell
unabhängig von der Regierung und erweiterte in den vergangenen
Jahren den Handlungsspielraum nicht-kommerzieller Medien – auch
wenn Community-Radios weiterhin bemängeln, wegen des für sie
geltenden gesetzlichen Werbeverbots in ihrer Nachhaltigkeit
gefährdet zu sein.
Erfolgreich nutzte dagegen die NGO Rhizomatica die im
Mediengesetz gewährten kommunikativen Rechte für Indigene. Im
südmexikanischen Oaxaca schufen sie das
Community-Mobilfunknetzwerk Telecomunicaciones Indígenas
Comunitarias (TIC), das heute mehr als 30 Gemeinden zählt. Im
vergangenen Jahr bekam die Initiative dafür vom IFT für den
nicht-kommerziellen Betrieb auch eine entsprechende Lizenz – ein
weltweit einmaliger Vorgang. „Doch dieser Erfolg ist wegen der
legislativen Reaktion der Rechten gefährdet“, warnt Enrique
Rosas, Projektkoordinator zu digitalen Gemeingütern und Freien
Technologien der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Mexiko. Die
Medienreform habe ein „Fenster an Möglichkeiten geöffnet“, das
sich nun
zu schließen drohe.
Während sich die Regulierungsbehörde selbst nur halbherzig
gegen die Angriffe der parlamentarischen Rundfunkkommission
wehrt, fordern Menschenrechts- und zivilgesellschaftliche
Medienorganisationen die Abgeordnetenkammer dazu auf, das Thema
öffentlich zu diskutieren: indigene Gemeinden sollten befragt,
Expert*innen gehört und die eigenen Kompetenz gewahrt bleiben.
Die übrige Bevölkerung rufen sie dazu auf, die kommunikativen
Rechte der Indígenas und des gesamten Publikums, gemeinsam zu
verteidigen.
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