Presseinformation 8.7.2017
Der folgende Text ist eine spontane Erklärung einiger beteiligter
und die Abläufe mitverfolgender Personen aus dem Umfeld der
Projektwerkstatt in Saasen und des Aktionsraumes in Gießen
Die Frage „Gewalt – ja oder nein?“ ist falsch
Aktivist*innen fordern mehr Qualität statt Bekenntnisse
Die überwältigende Mehrheit aller an den
Auseinandersetzungen der vergangenen Tage in Hamburg beteiligten
Personen und
Organisationen hat sich bekenntnishaft über die Legitimität von
Gewalt als
Mittel des politischen Protestes oder als Mittel der uniformierten
Sicherung
stattlicher Macht geäußert. Das gilt sowohl für die dort
versammelten
Politiker*innen als auch für Journalist*innen und die meisten der
Aktivist*innen und Führungspersonen politischer Organisationen und
Netzwerke.
Die Frage nach der Qualität politischer Protestaktionen blieb
dabei auf der
Strecke. Kaum eine Stimme war hörbar, die sich mit der Art
militanter Aktionen
auseinandersetzte. Das Gleiche gilt für die sogenannten
friedlichen Proteste,
die ihre einzige Legitimation aus der Ausgrenzung zur dogmatischen
Ablehnung von
Gewalt zu ziehen schien. Dabei war vor allem auffällig: Fast alle
Aktionen in
Hamburg, die öffentlich sichtbar wurden, waren stumpf,
inhaltsleere, ritualhaft
und wenig von der Kreativität der Einzelnen geprägt. Stattdessen
wurden sowohl
Militanz als auch Gewaltfreiheit fetischisiert. Befürwortung und
Ablehnung
erfolgten als Bekenntnis und verdeckten, dass bei fast allen
Aktionen Inhalt
und Qualität mangelhaft waren. Die öffentliche Berichterstattung
reduzierte
sich in der Folge auf die Nachricht „friedlich“ oder
„gewalttätig“. Damit haben
sowohl die plakative Gewaltfreiheit wie auch die plakative
Militanz die Inhalte
verdeckt.
Statt der Fortsetzung der dogmatisch
orientierten Debatte um
Militanz oder Gewaltfreiheit rufen wir zu mehr Qualität auf:
- Aktionen müssen so ausgerichtet sein, dass sie unsere Inhalte und Forderungen sichtbar machen.
- Aktionen müssen die Unterschiedlichkeit unserer Auffassungen und Vorlieben zum Ausdruck bringen. Statt vereinheitlichender Schulungen und Aktionsstrategien gilt es, uns viele unterschiedliche Ausdrucksformen anzueignen und in die Praxis umzusetzen. Demos mit Tausende von Menschen, die sich weitgehend gleichförmig verhalten, sind immer eine Verschwendung unser Möglichkeiten – egal ob gewaltfrei oder militant. 1000 ausdrucksstarke Gruppen a 10 Leute mit eigenen Ideen sind viel mehr wert als ein geschlossener Zug von 10.000 Menschen.
- Kriterium für die Bewertung von Aktionen muss deren emanzipatorische Qualität und Ausdrucksstärke sein. Die Ohrfeige von Beate Klarsfeld gegen Kurt-Georg Kiesinger oder der militante Kampf der Roten Zora gegen den frauenausbeutenden Adlerkonzern sind nicht das Gegenteil der Sitzplatzwahl von Rosa Parks oder der Besetzung von Genversuchsfeldern, sondern sie sind sich hinsichtlich der relevanten Qualitätsmerkmale vor allem ähnlich. Nur die Bekenntnisdebatte um Militanz und Gewaltfreiheit macht sie zu Gegenteilen.
- Um einen Qualitätssprung sowohl bei militanten als auch bei sogenannten gewaltfreien Aktionen zu erreichen, muss die Macht derer gebrochen werden, die an bekenntnishaften, ritualisierten und dadurch leicht führbaren Protestformen Interesse haben. Dieses sind die Sicherheitsbehörden des Landes, aber auch die Vorstände, Sprecher*innen usw. der politischen Bewegungen – wie auch immer sie ihre Kreise nennen, die andere Menschen vereinnahmen, steuern, um Spenden erleichtern oder für sie sprachen wollen.
Die entscheidende Frage ist nicht: Gewalt – ja
oder nein?
Die entscheidende Frage ist die nach der Qualität unserer
Aktionen. Die
Gewaltdebatte verschleiert, dass hier ein riesiger Nachholbedarf
besteht.
Kontakt: siehe unten
-- (Bitte bei Antworten lange Mailzitate wegschneiden ... spart Daten, Zeit und Unübersichtlichkeit :-) Projektwerkstatt Saasen, 06401-903283, Fax 03212-1434654 Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen (20 km östlich Giessen) www.projektwerkstatt.de/saasenPGP unter www.projektwerkstatt.de/feedback.html - Seminarhaus und politische Aktionswerkstätten - Archive, Bibliotheken und Gruppenräume (mit Bahnanschluss) Spannende Bücher und DVDs unter www.projektwerkstatt.de/materialien! Angebote für Aktionstrainings, Workshops und Vorträge: www.projektwerkstatt.de/referent.html und ../termine. Die Projektwerkstatt lebt davon, dass woanders Sachen übrig sind: Eine Liste, was gebraucht wird, ist unter www.projektwerkstatt.de/gesucht zu finden, z.B. kleines Audio-Aufnahmegerät, Obstpresse, Ansteckmikrofone (mit Kabel oder per Funk), CanonEF- oder M-Objektive und viele Verbrauchsmaterialien.
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