Das Original vom 20. März ist hier zu finden: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2018/03/20/la-comision-sexta-del-ejercito-zapatista-de-liberacion-nacional-convoca-al-conversatorio-o-semillero-segun-miradas-escuchas-y-palabras-prohibido-pensar/
Die Kommission
Sexta der
Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung ruft auf
zur
GESPRÄCHSRUNDE (oder Saatbeet, je nach dem): “Sehen,
Hören und
Sprechen: Denken Verboten?”
ZAPATISTISCHE
ARMEE DER
NATIONALEN BEFREIUNG.
Kommission Sexta
der EZLN.
Mexiko.
März 2018.
An die Personen, Gruppen,
Kollektive
und Organisationen, die sich, in der ganzen Welt, mit der
Initiative
des Indigenen Regierungsrates und seiner Sprecherin
beschäftigt und
sie zu ihrer gemacht haben:
An die Sexta National und
International:
An jene, die für die
Sprecherin des
Indigenen Regierungsrates unterschrieben haben:
IN ANBETRACHT DESSEN:
Erstens und einzig:
Die glückliche
Familie.
Eine Ortschaft, oder eine
Stadt, oder
wie es sich nennt. Ein Ort in der Welt. Eine Mauer. Auf der
rauen
Oberfläche der großen Mauer ein Plakat festgeklebt, ein
Aushang,
oder, oder wie es sich nennt. Auf dem Bild ein Mann und eine
Frau,
die vor einem Tisch, von reichhaltigem Essen strotzend,
lächeln. Auf
einer Seite des Paares ein lächelndes Mädchen; auf der
anderen
Seite zeigt ein Junge sein strahlendes Gebiss.
Über ihnen, in großen und einschüchternden Buchstaben, liest
man
“DIE GLÜCKLICHE FAMILIE”. Das Plakat ist schon alt, mit vom
Fortschreiten der Zeit verblassten Farben, die, so nehmen
wir an,
einst leuchtend waren und, ja, man kann sagen glücklich.
Anonyme
Hände haben kleine Buchstaben auf Papier hinzugefügt: “Die
glückliche Familie ist nur glücklich durch göttliche
Segnung.”;
“Nein zur Regenbogenfamilie, Tod den Schwulen und Lesben!”;
“Die Mutterschaft ist, was die glückliche Frau ausmacht”;
“Wir machen Rohre frei, unverbindlicher Kostenvoranschlag”;
“Glückliches Haus an glückliche Familie zu vermieten.
Unglückliche Familien brauchen sich nicht zu bewerben”.
Davor, auf dem Gehweg am Fuße
der
Mauer, gehen Menschen von einer Seite zur anderen, ohne dem
matten
Bild auch nur Aufmerksamkeit zu schenken. Hin und wieder
werden
einige von ihnen von einem Stück zermalmt, das von der
verfallenen
Mauer fällt. Es stimmt, diese partiellen Zusammenbrüche
passieren
immer häufiger. Stücke der Mauer lösen sich und zerquetschen
manchmal eine einzelne Person oder eine kleine Gruppe,
manchmal ganze
Gemeinschaften. Die Aufregung in der Menge dauert nur wenige
Augenblicke und sie setzt ihren Weg unter dem fahlen Blick
der
glücklichen Familie fort.
Kleine und große Katastrophen,
die uns
jetzt nicht vom Wesentlichen ablenken sollten: Gelegentlich
verkündet
der oberste Schöpfer von "glücklichen Familien" die freie
und demokratische Wahl des Plakatverwalters. Und gerade
jetzt, Sie
nehme es jetzt war, zeigt der glückliche Kalender, den Sie
hinter
der glücklichen Familie sehen können, an, dass es die Zeit
ist, um
zu wählen. In diesen Tagen geht eine fieberhafte Aktivität
durch
die Menge, die, ohne anzuhalten, Meinungen austauscht,
diskutiert und
für die verschiedenen Möglichkeiten kämpft, die angeboten
werden,
um das gigantische Plakat zu hüten.
Es gibt jene, die auf die
Gefahr
hinweisen, dass die offensichtliche
Unfähigkeit ihrer Gegner, das bereits zerschlagene Bild,
Symbol der
Identität der Ortschaft, der Stadt, oder wie man sagt,
gefährdet.
Eine Person bietet an, es zu erneuern und den Glanz und die
Farbe
wieder herzustellen, die es einmal hatte (tatsächlich
erinnert sich
niemand an diese Zeit, es kann also nicht einmal garantiert
werden,
dass es jemals existiert hat - natürlich, im gegebenen Fall,
dass
man der Zeit Existenz zuschreiben kann). Ein anderer sagt,
dass die
vorherigen Verwaltungen das Bild vernachlässigt haben,
worauf sein
sichtbarer Verfall zurückzuführen ist.
Die verschiedenen Vorschläge
entzünden
Diskussionen unter den Passanten. Es durchkreuzen sich
Vorwürfe,
Verleumdungen, Trugschlüsse, Argumente mit flüchtiger
Grundlage, apokalyptische Urteile und Verurteilungen. Es
werden die
Wichtigkeit und Transzendenz des Augenblicks reflektiert,
die
Notwendigkeit bewusster Teilnahme. Nicht umsonst wurde schon
so viele
Jahre gekämpft, um wählen zu können, wer sich um das
glückliche
Bild der glücklichen Familie kümmert.
Es werden Fraktionen gebildet:
dort
jene derer, die auf eine vorsichtige Erneuerung bestehen;
die andere
besteht auf das wissenschaftlichen Postulat "besser das
bekannte
Schlechte, als das Gute kennenzulernen"; eine andere Seite
bringt diejenigen zusammen, die Anständigkeit, guten
Geschmack,
Modernität anbieten. Einige schreien: "Denke nicht! Wähle!"
Ein Transparent behindert
die Bewegung der Menschen, es lautet: "Jeder Aufruf, über
die
Wahl nachzudenken, ist ein Aufruf zur Enthaltung. Es ist
nicht Zeit
zu denken, sondern Partei zu ergreifen. "
Die Diskussionen sind nicht
immer
gemäßigt. Es ist so wichtig, die Person auszuwählen, die für
das
Bild verantwortlich ist, dass die Fraktionen nicht selten
auf Gewalt
zurückgreifen.
Es gibt jene, die von großen
Mengen an
Glück für den, der gewinnt, sprechen, aber weit weg von den
weltlichen Interessen, in den mürrischen Gesichtern der
Konkurrenten
bemerkt man den Ernst der Sache: es ist eine historische
Pflicht, die
Zukunft liegt in der schwankenden Hand derer, die zu wählen
haben,
es ist eine schwerwiegende Verantwortung, die auf den
Schultern der
Leute lastet; ein Gewicht, das, glücklicherweise,
erleichtert wird,
wenn bekannt ist, wer den Sieg davonträgt und und sich zur
Aufgabe
macht, dem glücklichen Bild der glücklichen Familie Glück zu
verschaffen.
Die Rage
ist so groß, dass jeder das geschilderte
Bild völlig vergisst. Aber die glückliche Familie stellt
auf der
Einsamkeit der Mauer sein beständiges und nutzloses
Lächeln zur
Schau.
Am Fuß der länglichen und
hohen Mauer
hebt ein Mädchen die Hand und bittet um das Wort. Die
Fraktionen
bemerken es kaum, aber es fehlt nicht an dem, der sagt: "Armes
Ding, es ist ein Mädchen und sie will reden, lassen wir
sie".
"Nein", sagt eine andere Fraktion, "es ist
ein Trick der Gegenseite, um die Abstimmung zu spalten, es
ist eine
Ablenkung, damit wir die Schwere des Augenblicks nicht
bemerken, es
ist ein klarer Aufruf zur Enthaltung." Die andere
Fraktion
wendet ein: "Welche Fähigkeit kann ein überhaupt Mädchen
haben, um sich über das Poster zu äußern? Sie muss noch
lernen,
wachsen, reifen." Und auf dieser Seite: "Wir werden
keine Zeit damit verschwenden, einem Mädchen zuzuhören,
wir sollten
uns auf das Wesentliche konzentrieren: Entscheiden, wer
sich am
besten um das Poster kümmert".
Die "Kommission der Reinheit
und
Legitimität für die Wahl des Verantwortlichen für die Sorge
des
Bildes der glücklichen Familie" (abgekürzt CNLEECIFF), gab
eine ernsthafte und kurze Erklärung ab, angesichts der
Schwere der
Zeit: "Die Regeln sind klar: MÄDCHEN WERDEN NICHT
ZUGELASSEN."
Neue Reflexionen von
spezialisierten
Analysten: "Das einzige, was das Mädchen erreicht hat,
war,
den CNLEECIFF zu legitimieren. Als sie um das Wort bat,
hat sich das
Mädchen auf das Spiel eingelassen und hat verloren, der
Rest sind
Tröstungen"; "Das Versagen des Mädchens ist ein
Symptom für das Scheitern des Erneuerungsprozesses, die
Institutionen sollten das Mädchen sprechen lassen"; "Es
war rührend, sie mit ihrem erhobenen Händchen, um
Aufmerksamkeit
bittend, armes Ding"; "Es war ein ungünstiges
Resultat, das Ergebnis einer falschen Analyse der
Konjunktur/Umstände, des Zusammenhangs und der Korrelation
der
Kräfte, dies weist auf das Fehlen einer revolutionären
Avantgarde
hin, die die Massen anführt"; "Etcetera"
Aber die Diskussionen dauerten
kaum ein
paar Minuten, und das Kommen und Gehen von Schritten und das
Unrecht
nahm seinen Lauf. Man hörte das Mädchen nicht sprechen,
während
sie, nicht auf das Bild, sondern auf die Wand deutet, auf
der die
glückliche Familie ihre bereits marode Gelassenheit zur
Schau
stellte.
Auf einem der Trümmer stehend,
umgeben
von Leichen von Mädchen und zerbrochenen Steinen, zeigte das
Mädchen
lakonisch, auf das Offensichtliche:
“Sie wird einstürzen”.
Aber niemand hat es gehört ...
Moment ... niemand?
(Fortsetzung folgt? ...)
-*-
Auf Grundlage des zuvor dargelegten, ruft die
Kommission Sexta der EZLN auf zur:
GESPRÄCHSRUNDE
(oder Saatbeet, je nach dem):
“Sehen, Hören und
Sprechen: Denken Verboten?”
In dem verschiedene Personen
des
Nationalen Indígena Kongress, des Indigenen Regierungsrates,
der
Künste, der Wissenschaften, des politischen Aktivismus, des
Journalismus und der Kultur uns mitteilen, was sie sehen und
hören.
Die Gespräche
finden vom 15. bis 25. April 2018 im CIDECI-Unitierra, San
Cristóbal
de Las Casas, Chiapas, Mexiko, statt.
Bestätigt haben ihre Teilnahme unter Anderem:
Marichuy (Sprecherin des Indigenen
Regierungsrates).
Lupita Vázquez Luna (Rätin des Indigenen
Regierungsrates).
Luis de Tavira Noriega (Theaterdirektor).
Mardonio Carballo (Schriftsteller).
Juan Carlos Rulfo (Cineast).
Paul Leduc (Cineast).
Cristina Rivera-Garza (Schriftstellerin).
Abraham Cruzvillegas (visueller Künstler).
Néstor García Canclini (Anthropologe).
Emilio Lezama (Schriftsteller und politischer
Analyst).
Irene Tello Arista (Kolumnistin und
Aktivistin).
Erika Bárcena Arévalo (Anwältin und
Anthropologin).
Ximena Antillón Najlis
(Psychologin,Spezialistin für
Opfer von Gewalt).
Jacobo Dayán (Akademiker und
Menschenrechtsaktivist).
Marcela Turati (Investigativjournalistin).
Daniela Rea Gómez (Journalistin).
Carlos Mendoza Álvarez (Philosoph).
John Gibler (Journalist).
Javier Risco (Journalist).
Alejandro Grimson (Anthropologe).
Enrique Serna (Romanautor).
Paul Theroux (Schriftsteller).
Juan Villoro (Schriftsteller).
Pablo González Casanova (Soziologe und
Zapatist,
nicht zwangsläufig in dieser Reihenfolge).
Gilberto López y Rivas (Anthropologe).
Alicia Castellanos Guerrero (Anthropologin).
Magdalena Gómez Rivera (Anwältin).
Bárbara Zamora (Anwältin).
Margara Millán Moncayo (feministische
Soziologin).
Sylvia Marcos (Psychologin und feministische
Soziologin).
Jorge Alonso Sánchez (Anthropologin).
Fernanda Navarro y Solares (Philosophin).
Néstor Quiñones (grafischer Künstler).
Raúl Romero (Soziologe).
Rafael Castañeda (militanter Politiker).
Luis Hernández Navarro (Journalist).
Carlos Aguirre Rojas (Soziologe und Ökonom).
Sergio Rodríguez Lascano (militanter
Politiker).
Carlos González (Anwalt und Aktivist im Kampf
der
Pueblos
Originariosi).
Adolfo Gilly (militanter Politiker, Historiker
und
Analyst).
Carolina Coppel (Videastin).
Mercedes Olivera Bustamante (feministische
Anthropologin).
María Eugenia Sánchez Díaz de Rivera
(Soziologin).
“Lengua Alerta” (Musiker).
“Panteón Rococó” (Musiker).
“El Mastuerzo” (Guacarockero).
“Batallones femeninos” (feministische
Musikerinnen).
“Los Originales de San Andrés” (zapatistische
Musiker).
“La Dignidad y la Resistencia” (zapatistische
Musikerinnen).
Sobald die weiteren Eingeladenen ihre
Teilnahme
bestätigen (deren Namen nicht genannt werden um die
Unschuldigen zu
schützen), wird die vollständige Liste veröffentlicht,
ebenso wie
die Tage und Uhrzeiten der jeweiligen Beteiligungen.
Die Adresse, um sich als
Höhrer*in-Zuschauer*in,
freie oder Bezahl-Medien, zu registrieren, ist:
(bitte Name, Stadt, Bundesstaat
oder
Land, Individuum oder Kollektiv angeben).
Das heißt, verpasst es nicht … oder verpasst
es,
der Punkt ist, dass Ihr seht, hört und denkt.
Aus den Bergen des
mexikanischen
Südostens.
Für die Kommission Sexta der
EZLN
(Sektion “Einladungen und Offensichtlichkeiten”)
SupGaleano.
Mexiko, März 2018.
iwörtlich
“ursprüngloche Völker”, Selbstzuschreibung
Chiapas98 Mailingliste
JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider
Chiapas98@listi.jpberlin.de
https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98
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